Panorama
Zeitgeschehen
Der deutsche Gesundheitssektor ist offensichtlich attraktiv. So beschreiben ihn jedenfalls viele internationale Investmentfirmen. Sie haben Praxen als Renditeobjekte entdeckt und bereits hunderte, möglicherweise sogar tausende Arztsitze in Deutschland aufgekauft. Genaue Daten und Zahlen gibt es allerdings nicht. Der Wandel vollzieht sich nahezu unbemerkt. Augenheilkunde besonders attraktiv für Investoren Ein Bereich, der für Investoren offenbar besonders attraktiv erscheint, ist die Augenheilkunde. Nach Panorama-Recherchen gehören in Deutschland inzwischen mehr als 500 Augenarztpraxen internationalen Finanzfirmen. Das sind etwa dreimal so viele wie vor drei Jahren. Geschätzt arbeitet mittlerweile etwa ein Fünftel aller ambulant tätigen Augenärzte in Ketten von Investoren. Die Panorama-Recherchen zeigen, dass verschiedene Ketten in kürzester Zeit sogar eine monopolartige Stellung in mehreren Städten und Landkreisen erreicht haben. Lukrative Renditeerwartungen von bis zu 20 Prozent Klar ist: Geld verdienen wollen die Investoren auf jeden Fall. Eine Renditeerwartung von 20 Prozent ist laut Finanzexperten üblich. Diese Gewinne erzielen sie, in dem sie Praxen hinzukaufen, sie in einem größeren Konzern zusammenführen und diesen dann einige Jahr später zu einem möglichst hohen Preis an einen anderen Investor weiterverkaufen. "Buy-and-Build" - "Kaufe-und-Wachse" - nennt sich die Strategie. Die von Investoren geführten Ketten bieten Medizinern für ihre Arztsitze oft hohe Beträge und drängen so andere aus dem Markt. Und nicht nur in der Augenheilkunde zeigt sich dieser Trend. Investoren übernehmen auch Praxen von Zahnärzten, Radiologen, Orthopäden, Gynäkologen, Nierenfachärzten, Internisten und Allgemeinmedizinern. Ausrichtung auf gewinnträchtige Operationen Das bleibt offenbar nicht ohne Folgen - auch für die Patienten. Die Investoren bestreiten zwar vehement, dass sich die Versorgung verschlechtere. Doch zahlreiche Hinweise und Indizien zeigen etwas anderes: Ein System, in dem der wirtschaftliche Druck auf Ärzte steigt, das sich auf besonders gewinnträchtige Operationen ausrichtet und aus dem offenbar viel Geld aus der Solidargemeinschaft an unbekannte Profiteure fließt. Zähne angebohrt, die gesund waren Auch im Bereich der Zahnmedizin haben verschiedene Investoren hunderte Praxen innerhalb weniger Jahre übernommen. Und auch hier berichten Angestellte von einem wirtschaftlichen Druck. Eine Zahnärztin sagt etwa im Panorama-Interview, dass ihr regelmäßig Diagramme vorgelegt worden seien. Sie zeigten, welche Umsätze sie selbst erzielte - mit Brücken, Kronen oder Implantaten - und wieviel mehr die Spitzen-Zahnärzte in der Kette erreichen. Solche Daten seien ihr und ihren Kollegen angeblich zur Motivation vorgelegt worden. Sie habe sich aber vor allem unter Druck gesetzt gefühlt. Der Interessenverband der investorengeführten Zahnarztpraxen weist vehement zurück, dass so etwas systematisch vorkomme. Eine Studie, die die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung in Auftrag gegeben hat, kommt dagegen zu einem anderen Ergebnis. Demnach zielen investorengeführte Ketten stärker auf die Rendite ab. Sie würden "vermehrt betriebswirtschaftlich attraktivere Leistungen erbringen, während sie weniger attraktive Leistungen vernachlässigen", heißt es in der Studie des IGES Instituts aus dem Jahr 2020.
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