

10 halbe Dörfer - Was wird aus den geretteten Braunkohle-Orten?
Gesellschaft + Soziales
Bernd Pieper steht vor seinem alten Haus in Keyenberg, das eigentlich im großen Loch des Braunkohletagebaus Garzweiler II verschwinden sollte. Er ist in Keyenberg groß geworden, hat sein Haus mit eigenen Händen gebaut für seine Familie. Schützenverein, Kirche, Nachbarschaft - das war alles Heimat. Und sollte dem Tagebau geopfert werden. "Das zähe Ringen mit sich selbst, all die Jahre stand unser Leben unter der Frage: Bleiben, oder doch an RWE verkaufen? Zum Schluss wurde es so unerträglich, die Bagger kamen immer näher - alle Nachbarn waren schon weg. Da haben wir gesagt: Wir fangen neu an, im Neubaugebiet, in Neu Keyenberg - hier gibt es keine Zukunft - und jetzt?" Es ist passiert, womit niemand mehr rechnete: Sein Dorf und vier andere Orte werden doch verschont. Der Kohleausstieg wurde auf 2030 vorgezogen. Und Ende Oktober 2022 entschieden Bundes- und Landesregierung und RWE: Nur Lützerath wurde noch geopfert, die anderen fünf Dörfer bleiben erhalten. Nur wohnen da nicht mehr viele Menschen - und Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich gibt es jetzt doppelt: Das alte Original und die Neugründung voller Eigenheimträume im großen Neubaugebiet Richtung Erkelenz. Was wird jetzt aus den alten Dörfern? Aus Bernd Piepers Haus? Ziehen da bald neue Menschen ein? Oder wird einfach alles abgerissen und neu gebaut? Oder kommen Gewerbegebiete? Oliver Kanneberg ist einer von denen, die ihr altes Haus zurückkaufen wollen, und nicht weiß, wer darüber entscheidet. Andere möchten, dass ihr Haus, von dem sie so schwer Abschied genommen haben, jetzt auch wie geplant abgerissen wird. Eine historisch einmalige Situation, für die niemand einen Plan hatte. Alles scheint jetzt möglich. Doch die Interessen sind sehr unterschiedlich. Was, wenn sich jetzt große Investoren für die Orte interessieren? "Wir werden Keyenberg & Co.zu einer Zukunftsregion machen", verspricht der Bürgermeister von Erkelenz Stefan Muckel. Wie aber soll die aussehen und welches Mitspracherecht haben die Bürger? Sie dürfen zwar abstimmen, entscheiden aber wird am Ende der Stadtrat. "Scheindemokratie!" nennt ein Teil der Noch-Bewohner der alten Dörfer dieses Verfahren. Sie haben den Verein: "Dörfergemeinschaft KulturEnergie" gegründet, treffen sich reihum privat in Küchen und Wohnzimmern und haben eigene Ideen: Die alten Häuser retten, nachhaltig wirtschaften, soziale Einrichtungen aufbauen. Dieses Gesellschafts-Experiment an der Abbruchkante ist auch ein Lehrstück über den Zustand unserer Demokratie. Wird hier Demokratie als echte Mitbestimmung gelebt, zum Wohle aller Erkelenzer? Welche Rolle spielt weiterhin der Energiekonzern RWE und wofür werden die 14,7 Milliarden Euro für Strukturwandel ausgegeben? "Die Story" begleitet den Kampf um die Zukunft der fünf geretteten Dörfer und behält dabei vor allem die einzelnen Menschen im Blick.
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