Panorama
Zeitgeschehen
* Menschenzoo: Hagenbecks dunkles Erbe "Fremde" Menschen wurden neben Tieren im Zoo ausgestellt, sie wurden vermarktet als "wilde Kämpfer" aus Afrika, als "Kannibalen der Südsee", als primitive Urmenschen aus Südamerika: Von Ende des 19. Jahrhunderts bis Anfang der 1930er-Jahre zogen die sogenannten Völkerschauen ein Millionenpublikum an. Der Hamburger Tierpark Hagenbeck war europaweit im Menschenzoo-Geschäft führend. Eine öffentliche Aufarbeitung dieses Kapitels der kolonialen Geschichte verweigert die Eigentümer-Familie Hagenbeck jedoch bis heute. Es war die zentrale Rechtfertigung des Kolonialismus: Die weißen Europäer sahen sich als anderen Kulturen zivilisatorisch überlegen, die als wild, primitiv, naturnah und damit unterlegen betrachtet wurden. Daraus leitete man das Recht ab, andere Menschen zu unterdrücken, über sie zu herrschen und sie auszubeuten. Die Menschenzoos haben beim Publikum damals genau dieses Selbstbild der eigenen Überlegenheit bestätigt und weiter verbreitet, sagt Historiker Professor Jürgen Zimmerer, der an der Universität Hamburg die Forschungsstelle (post-)koloniales Erbe leitet. "Man stellt Menschen in einer bewusst primitiv inszenierten Umgebung und Pose aus", sagt Zimmerer. "Und dadurch wird ein Menschenbild des Afrikaners, der Afrikanerin oder aus der Südsee als völlig anders und als zurückgeblieben und primitiv transportiert." Dabei zeigen Briefe, die Panorama vorliegen, wie demütigend die Menschen diese Praxis empfanden. Eine Gruppe vom Volk der Kanak, die aus Neukaledonien stammte - damals eine Kolonie Frankreichs in der Südsee - , wurde 1931 von Hagenbeck wahrheitswidrig als Gruppe von "Kannibalen" vermarktet. Sie beschwerten sich in Briefen, schrieben, sie müssten jeden Tag stundenlang barfuß und kaum bekleidet tanzen, auch bei Regen. "Hier in Hamburg […] werden wir grob wie Sklaven behandelt und werden immer und überall beobachtet. (…) Wir wollen nicht länger hierbleiben." In einem weiteren Brief kritisieren sie, sie müssten "fast nackt" auftreten, es sei ihnen verboten, in Hose und Mantel und mit Schuhen zu tanzen. Es ist für sie eine demütigende Inszenierung, "…um die Besucher glauben zu machen, dass wir Wilde sind und keine Europäer unter Gleichen." Der französische Fußballspieler Christian Karembeu ist Urenkel eines Mannes, der damals bei Hagenbeck als Kannibale ausgestellt wurde. Er mahnte schon vor einem Jahr an, der Tierpark solle seine Geschichte aufarbeiten, sich seiner Vergangenheit stellen: "Ich denke, es geht darum, die Geschichte zu erzählen, wie sie war. Und dann ist auch alles verziehen." Doch Hagenbeck schweigt sich dazu konsequent aus, dabei hatte man vor zwei Jahren nach Protesten selbst eine kritische Aufarbeitung angekündigt. Wiederholt hat Panorama bei Hagenbeck angefragt. Es gibt kein Interview zum Thema, keine Antworten auf viele Fragen. Der Tierpark verweist immer wieder auf das gleiche schriftliche Statement. Darin heißt es: Die Menschen "arbeiteten als Darsteller mit Verträgen und Gage für Hagenbeck". Carl Hagenbeck habe die Teilnehmer der Völkerschauen "als Gäste" gesehen und nie misshandelt. Dessen Urenkel und heutiges Familienoberhaupt Claus Hagenbeck lehnt ein Interview ebenfalls ab. Dabei hat sich Claus Hagenbeck in der Vergangenheit durchaus zu dem Thema geäußert. Kritisch sieht er sie offenbar nicht: In einer Dokumentation aus dem Jahr 2020 sagt Claus Hagenbeck: "Völkerschauen waren ja eine Kunstform. Es wurden ja nicht Sklaven hier nach Europa geholt, sondern es waren Gaukler, die in ihrem Heimatland gegaukelt haben." In einem früheren TV-Statement aus dem Jahr 2003 räumte er indirekt eine Inszenierung der ausgestellten Menschen als Wilde ein. Berichtet, offenbar amüsiert: "Was die Veranstalter nicht gerne sahen, war, dass die Eingeborenen in Anführungsstrichen, die sich ja hier präsentierten als wilde Menschen, dass die sich abends Schlips und Kragen umbanden und nach St. Pauli zum Tanzen gingen. Das war nicht gerne gesehen, weil dann ja der Nimbus d
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